Lexikon, zuletzt bearbeitet am: 21.07.2023 | Jetzt kommentieren| Jetzt bewerten
Inhaltsverzeichnis
Dieser Ratgeber erläutert, wann der Geschäftsführer einer GmbH sozialversicherungspflichtig ist und unter welchen Voraussetzungen er von der Sozialversicherung befreit werden kann (Statusfeststellungsverfahren), also sozialversicherungsfrei wird.
Die Kriterien für die Entscheidung zwischen Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungsfreiheit werden übersichtlich dargestellt; zudem sind praktische Hinweise für Vertragsgestaltung bezüglich Geschäftsführervertrag und Gesellschaftsvertrag enthalten, die eine Sozialversicherungsfreiheit fördern.
Die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsführer im Einzelfall von der Sozialversicherung befreit werden kann, also keine Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung leisten muss, ist mitunter schwierig zu beantworten. Es gibt hierfür nämlich oft keine eindeutigen Kriterien. Vielmehr ist eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles entscheidend. Soweit es möglich ist und eine Sozialversicherungsfreiheit gewünscht ist, bietet es sich daher an, bei der Gestaltung von Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführervertrag und tatsächlicher Gestaltung des Arbeitslebens auf die Kriterien einzugehen.
Ausgangspunkt ist, dass Geschäftsführer zwar gegenüber Angestellten der GmbH die Arbeitgeberstellung innehaben, gleichzeitig aber auch Angestellte der GmbH sind – selbst, wenn sie 100%ige Gesellschafter der GmbH sind. Dies ist die Folge daraus, dass zivilrechtlich betrachtet Gesellschafter und GmbH eigenständige Rechtspersonen sind. Rein formal betrachtet wäre also jeder Geschäftsführer einer GmbH auch pflichtversichert, weil er Angestellter ist. Das Sozialrecht legt hier jedoch andere Maßstäbe an. Maßgeblich ist hiernach, ob der Geschäftsführer als Unternehmer in Erscheinung tritt und selbstständig erscheint, oder ob die Eigenschaften eines Arbeitnehmers überwiegen.
Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen hinsichtlich Inhalt, Ort, Art der Ausführung sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Dem gegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Maßgeblich ist für die Beurteilung, welche Merkmale überwiegen (Hess. LSG, Urteil vom 23.11.2006, Az. L 1 KR 763/03).
Die äußeren Umstände, insbesondere die rechtlichen und vertraglichen Umstände, sind hierbei lediglich neben den tatsächlich gelebten Umständen zu berücksichtigen. Insgesamt hat eine Gesamtschau der Verhältnisse zu erfolgen.
Die nachfolgend aufgeführten Kriterien sind daher in einer Gesamtschau zu sehen; lediglich eines ist allein bereits entscheidend: Ist der Geschäftsführer zu mehr als 50% Gesellschafter der GmbH (und keine atypische Gesellschaftsvertragsgestaltung gewählt, also der Mehrheitsgesellschafter mit den nach GmbH-Gesetz vorgesehenen Befugnissen ausgestattet), so ist er nicht abhängig beschäftigt und damit nicht Arbeitnehmer, sondern selbständiger Unternehmer. Er ist also von der Sozialversicherung zu befreien.
Soweit der Geschäftsführer zwar nicht mit mindestens 50% am Stammkapital beteiligt ist, er aber auf anderem Wege eine entsprechende Stellung einnimmt, ist er Unternehmer. Dies gilt beispielsweise, wenn andere Gesellschafter sich einer Stimmrechtsbindung unterworfen haben. Hat er eine Sperrminorität kraft gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung (er also die Fassung bedeutsamer Beschlüsse auch mit seiner geringeren Beteiligung verhindern kann), so ist ein starkes Indiz für Unternehmerstellung gegeben; entschieden ist sie nicht, weil eine Sperrminorität zwar zur Verhinderung von Beschlüssen berechtigt, der Gesellschafter jedoch keine Beschlüsse fassen kann, ohne dass andere Gesellschafter mit ihm stimmen.
Nach einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichtes (Aktenzeichen L 1 KR 763/03, vom 23.11.2006) kann jedoch sogar der Geschäftsführer einer GmbH, der am Kapital der Gesellschaft gar nicht beteiligt ist, unter besonderen tatsächlichen Umständen als selbständig anzusehen sein kann.
Kann der Geschäftsführer selbst bestimmen, wann und wo er arbeitet, und insbesondere was er tut, ohne dabei durch Arbeitsvertrag oder Gesellschafterversammlung Anweisungen zu erhalten, so ist dies ein (starkes) Indiz für selbständige, also unternehmerische Stellung und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. In der Praxis findet sich diese Form in der Regel nur bei Einmann-GmbHs. Trotzdem kommen solche Gestaltungen auch bei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern vor. Gerade hier ist es aus formalen Gründen sehr wichtig, dass Geschäftsführervertrag und Gesellschaftervertrag den Geschäftsführer soweit rechtlich zulässig von Weisungen der Gesellschafterversammlung freistellen.
Unabhängig von Ort, Art und Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers kann die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer nach den Vorschriften des GmbH-Gesetzes grundsätzlich auch Weisungen in Bezug auf bestimmte Geschäfte, etwa den Abschluss bestimmter Verträge oder Berichte gegenüber der Gesellschafterversammlung erteilen. Soweit diese gesetzliche Regelung nicht eingeschränkt ist, ist ein Indiz gegen selbständige Stellung und für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben. Soll dies vermieden werden, so sollte der Geschäftsführer in Gesellschaftsvertrag und Geschäftsführervertrag soweit wie möglich von Weisungen der Gesellschafterversammlung befreit werden.
Der Geschäftsführer, der in der Vergangenheit Mehrheitsgesellschafter war, beispielsweise Unternehmensgründer oder Inhaber einer Einzelfirma, die später in eine GmbH formgewandelt wurde, ist nach wie vor selbständiger Unternehmer, wenn er durch die Veräußerung von Geschäftsanteilen oder den Formwechsel nicht seine Unternehmensleistungsfunktion eingebüßt hat. Häufig findet sich diese Variante, wenn Kapitalgeber zum Zwecke der Expansion Geschäftsanteile erwerben (Venture Capital).
Hat der Geschäftsführer eine besondere Branchenkenntnis, so dass die Gesellschafter keinen anderen gleich geeigneten Geschäftsführer finden könnten, der das Unternehmen führen könnte, so ist dies ein (starkes) Indiz für selbständige, also unternehmerische Stellung und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Anerkannt ist, dass der Geschäftsführer, der ein maßgebliches Unternehmerrisiko trägt, auch als Unternehmer anzusehen ist und nicht als abhängig Beschäftigter betrachtet werden kann. Unklar sind indessen die Kriterien, wann das der Fall sein soll. Insoweit sind derzeit bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main und dem Sozialgericht München Klagen zweier Geschäftsführer anhängig, in denen die Sozialversicherungspflicht eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers zu beantworten ist, der zwar nur einen geringen Teil des Stammkapitals hält, dieser geringe Teil aber aufgrund des Wertes des Unternehmens insgesamt einen Wert in einer zweistelligen Millionenhöhe hat. Hier liegt auf der Hand, dass die Geschäftsführer wirtschaftlich mehr als Unternehmer tätig sind, denn als abhängig Beschäftigte, weil sie darauf bedacht sind, den Unternehmenswert zu steigern und sie hieraus einen größeren wirtschaftlichen Vorteil ziehen, als aus ihrer Geschäftsführervergütung. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte entscheiden werden.
Unternehmerähnliche Stellung kann sich auch daraus ergeben, dass sich der Geschäftsführer in erheblichem Umfange für die GmbH verbürgt hat oder ihr Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Auch dann ist nämlich seine Stellung nicht mehr der eines bloßen Arbeitnehmers vergleichbar.
Ist der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, also berechtigt, als Geschäftsführer der GmbH mit sich persönlich einen Vertrag zu schließen, so ist dies ein (recht schwaches) Indiz für selbständige, also unternehmerische Stellung und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Der Geschäftsführer einer Familien-GmbH, in der Familienangehörige mehr als 50% der Geschäftsanteile halten und der als einziges Familienmitglied und Gesellschafter über die zur Führung der Gesellschaft notwendigen Unternehmerkenntnisse verfügt, ist in der Regel als selbständiger Unternehmer anzusehen. Das gilt dann nicht, wenn er aufgrund familiärer Strukturen einer starken Kontrolle oder gar Weisung übriger Familienangehöriger unterworfen ist.
Geschäftsführer oder Gesellschafter selbst können die Frage der Sozialversicherungspflicht nicht abschließend, insbesondere nicht verbindlich klären. Dies birgt die große Gefahr, dass das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers unter Umständen über Jahre hinweg von GmbH und Geschäftsführer als sozialversicherungsfrei behandelt wird, später aber verbindlich festgestellt wird, dass es sozialversicherungspflichtig war, und dann enorme Summen an Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nachentrichtet werden müssen.
Es empfiehlt sich daher, die Frage in einem so genannten Statusfeststellungsverfahren klären zu lassen. Zuständig hierfür ist diejenige Krankenkasse, die für die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge zuständig wäre. Soweit der Geschäftsführer derzeit gesetzlich krankenversichert ist, ist dies seine derzeitige Krankenversicherung. Ist er privat krankenversichert, so ist zuständig die letzte gesetzliche Krankenversicherung, in der er versichert war – auch wenn dies Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegt.
Der Krankenversicherung sind zur Beurteilung der Gesellschaftsvertrag, der Geschäftsführervertrag und weitere aufschlussreiche Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die Beantwortung oben aufgeworfener Fragen ergibt.
Rückerstattung: Was eine Gefahr darstellt, kann allerdings auch zu einer Rückerstattung führen. War der Geschäftsführer sozialversicherungsfrei, wurde aber das Anstellungsverhältnis als sozialversicherungspflichtig behandelt und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, so hat die Sozialversicherung die geleisteten Beiträge zurückzuerstatten.
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